In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit

Immer auf den Fremden von außen wartend, nie gewusst, dass der Fremde in mir wartet. Aber vielleicht immer schon geahnt und deshalb aufgehört, Ich zu sagen.
Mein Fremder zeigt mir, dass meine Lebensweise das Resultat vieler Entscheidungen ist, die ich selbst nicht getroffen habe und die ich nie in Frage stellen wollte. Er macht den blinden Fleck in meiner Wahrnehmung sichtbar. Er zeigt mir den Fremden der ich mir bin.
Das Wissen um die aktuelle oder vergangene Existenz meines Fremden, verunmöglicht mir eine absolute Sicherheit, die ich mir wünschen kann, aber schon der Wunsch wirkt naiv.
Es gibt kein sicheres Verhältnis zwischen dem Ich und meinem Fremden. Die Suche nach dem Ort von dem aus ich mich behaupten kann, dauert an.
Und dann steht da wieder Ich und sagt Du um nicht Ich zu sagen, um nicht an das eigene Ende zu gelangen.

Mit: Martin Degeling, Kathrin Ebmeier, Henning Gebhard, Anna-Lena Klapdor, Kirsten Möller, Kristin Naujokat, Lisa Overmann, Almut Pape, Feeke Rascher, Mia Sellmann, Jascha Sommer, Jasmin Stommel, KlaasWerner, Manuel Zauner

Termine:
20. Januar 2011, 19.30 (Premiere)
21. Januar 2011, 19,30
10. Februar 2011, 19.30
11. Februar 2011, 19.30
11. Juni 2011, 19.30

Ort:
Ringlokschuppen Ruhr

Fotos: Robin Junicke

Download des Programmhefts

Eine Anna Kpok Produktion. Koproduziert vom Ringlokschuppen Mülheim an der Ruhr

[…] kein Stück über Liebe […] – immernochArbeitstitel

essentieller Bestandteil der Produktion als Bühnenelement: Quaderrahmen aus Holz (schwarz lackiert) mit den Maßen: 1,66 x 1,66 x 1,36 m
Die Produktion wurde für das Internationale Festival für Theaterregie versionale (www.versionale.de)
basierend auf Shakespeares „A Midsummer Night’s Dream“ entwickelt.

Inhaltliche Auseinandersetzung
Ein Sommernachtstraum. Einer? Hunderte.
Das Konzept sieht keine Geschichte vor, dafür einen Quader.
Ausgangspunkt ist die Beziehung zwischen Illusion, oder dem Traum als Agent des Chaos, des Raums der
Potenzialitäten und einer – wie auch immer strukturierten – Realität. Dabei geht es nicht darum, ein
Verschwimmen der Grenzen aufzuzeigen, sondern vielmehr die Frage zu stellen: Wie ist das
weiterzudenken? Wo und/oder wie werden uns unsere Struktur, unsere Kategorisierung, unsere
Kartographierung der (Um-)Welt zur selbst genähten Zwangsjacke? Und an welchen Stellen ist diese
„Vermessung“ notwendig, um handlungsfähig zu bleiben, um sich nicht im Potenziellen zu verlieren?
Inwiefern ist aber auch das Chaos, die Potenzialität notwendig, um nicht in einer stagnativen Struktur zu
erstarren?

Der Quader.
Eine Bühne innerhalb der Bühne, ein immer wieder neu setzbares Strukturelement auf der Bühnenfläche.
Außerhalb davon: Chaos, Möglichkeit und/oder eine weitere Struktur…

Die Darstellenden.
Realitäts- und Illusions-Suchende, -Verwirrte, -Träumende, -Strukturierende
Die Struktur ist nicht erstarrt, sie bewegt sich, wird bewegt, durch die Möglichkeit (hindurch), durch die
Darstellenden. Sie wird erweitert und der Möglichkeitsraum erschlossen in einer nicht- endlichen Spirale von
Einschränkung und Erweiterung: ein Traum im Traum im Traum, oder Realität als ein erweiterbares Raster in
einem strukturlosen Raum unbegrenzter Möglichkeiten, in welchem die immer gleiche Frage gestellt werden
kann: Seid ihr sicher, dass wir wach sind?

Beteiligte: Anna-Lena Klapdor, Olga Laschko, Feeke Rascher, Manuel Zauner

Aufführungen (im Rahmen des versionale-Festivals):
6. November 2010, Rü-Bühne Essen (Gewinner des Publikumspreises)
4. Dezember 2010, Werk II, Halle D, Leipzig (innerdeutsches Finale des Regietheaterfestivals)

Eine Anna Kpok Produktion.

Pressestimmen zu Projekt: Mensch 2.0

Über das „Projekt: Mensch 2.0“ berichtete u.a. die

  • Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung am 26.10.2009

    „Im Moderationslabor des Instituts für Arbeitswissenschaften befindet sich der größte Touchscreen Europas. Vor der Kulisse dieses technischen Superlativs wird in verschiedenen Szenen dargestellt, wie sehr wir in das Web 2.0 involviert sind. Die Invasion der Technik in unseren Alltag befeuert einen selbst auferlegten Zwang zur Entwicklung eines neuen Menschen. „

  • die WAZ am 01.11.2009

    „Der Mensch ist Reformobjekt in einer durch und durch technisierten Welt. Die collagenhafte Inszenierung verbindet Textfragmente von Friedrich Nietzsche mit Auszügen aus der modernen Coaching-Literatur, lässt Bibel-Zitate mit menschlicher Maschinenhaftigkeit kollidieren und vermittelt darüber hinaus einen grotesken Humor.“

Projekt: Mensch 2.0

Und Zarathustra sprach also zum Volke:
Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr getan, ihn zu überwinden?
Alle Wesen bisher schufen etwas über sich hinaus: und ihr wollt die Ebbe dieser großen Flut sein und lieber noch zum Tiere zurückgehn, als den Menschen überwinden?

Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde!

So schrieb Nietzsche 1883 in der Vorrede zu „Also sprach Zarathustra“. 125 Jahre später formulieren eine ganze Flut von Ratgebern, Selfmanagement-Büchern und -Seminaren und Parteiprogramme das Anforderungsprofil des (post-)modernen Menschen. Kreativ, eigenverantwortlich, selbstbewusst, durchsetzungsfähig, teamfähig, flexibel, pragmatisch […] arbeitet er, zugleich Produzent und Produkt, beständig an der Optimierung seines Selbst. Anders als Nietzsche, der sich an der (christlichen) Religion und ihren anthropologischen Implikationen abarbeitet, spielt die Religion in diesen Texten und Praktiken scheinbar keine Rolle mehr. Vielmehr scheint der ökonomische Diskurs die zuvor der Religion vorbehaltenen Fragen nach Sinnstiftung und Selbstverwirklichung vollständig absorbiert zu haben. Im Paradigma der „Ich-AG“ verschmilzt der Begriff des postmodernen Subjekts mit dem zeitgenössischen ökonomischen Imperativ auf dem Fundament des Selbstverwirklichungsideals von 1968.

Projekt Mensch 2.0 versucht die – im Alltag nicht mehr stattfindende – Auseinandersetzung mit der Religion in einen theatralen Kontext zu transportieren. Es konfrontiert auf der Folie des Zarathustra-Textes Formen des Self-Management-Seminars mit der christlichen Liturgie und den soziotechnischen Plattformen des Webs 2.0. Die so entstehenden theatralischen Versuchsanordnungen ermöglichen Fragen nach den Formen von Gemeinschaft und nach Elementen des Sakralen und der Produktion von Wahrheit in einer vermeintlich individualisierten und ökonomisierten Gesellschaft.

Inwiefern beeinflussen die benutzten Medientechnologien die Arbeit und Kommunikation und fürderhin die alltäglichen Verhaltensweisen der Menschen?

Zu diesem Zweck bedarf es eines Raumes, der selbst Schauplatz der Wandlung von Arbeits- und Kommunikationsweisen, sowie der Produktion von Wahrheit ist. Ein konventioneller Theaterraum kann dies nicht leisten. Im Institut für Arbeitswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum befindet sich das sogenannte Moderationslabor, das neue Formen des Lehrens, Lernens und Arbeitens erforschen und ermöglichen soll. Multimedial unterstützt und mit einem wandfüllenden Touchscreen ausgestattet befindet sich dieser Raum auf der Schwelle zwischen profanem Seminarraum und auratisch aufgeladener Kirche der Informationstechnologie. In der Probenarbeit gilt es für die Darsteller, sich diesen Raum anzueignen und Möglichkeiten zu einer funktionalen Umdefininition des Raumes auszuloten. Die dramaturgische und inszenatorische Arbeit soll, zusammen mit den Darstellern, mit den Mitteln des Webs 2.0 (Wikis, Blogs) multimedial dokumentiert und in die Inszenierung integriert werden. Die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Entstehung ist somit maßgeblicher Bestandteil der Inszenierung.

Beteilige:
Martin Degeling, Katrin Ebmeier, Henning Gebhard, Anna-Lena Klapdor, Kristin Naujokat, Lisa Overmann, Almut Pape, Jascha Sommer, Jasmin Stommel, Manuel Zauner.

Beratung:
Dominik Gerland, Patricia Lenz, Klaas Werner

Termine:
Premiere: 29.10.2009, 21 Uhr
Weitere Vorstellungen: 31.10., 01.11., 08.11., 12.11., 18.11., 03.12., jeweils 20 Uhr

Spielort:
Moderationslabor der Arbeitswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, NB 02/33

Eine Anna Kpok Produktion. Mit freundlicher Unterstützung durch das Institut für Arbeitswissenschaft, den AStA und das Institut für Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, sowie den [fr-tw]