Seit 15 Jahren gibt es jährlich eine neue Staffel Germany‘s Next Topmodel mit Heidi Klum, jährlich ein neues Ensemble an Mädchen, das das gleiche, oft kritisierte, Stück aufführt: Assessmentcenter-Weiblichkeit. Den Standards entsprechende weibliche Körper, neoliberale Selbstverwertung, die Waren „die sich selbst zu Markte tragen“. Teilnehmerinnen, die als Kinder die erste Staffel sehen, bewerben sich als junge Erwachsene selbst um einen Platz. Sie haben die Show studiert. Sie wissen, was sie davon zu erwarten haben, und auch, was von ihnen erwartet wird.
In einem Moment, in dem Neoliberalismus, Post-Feminismus und Backlash aufeinandertreffen, entsteht die Assessmentcenter-Weiblichkeit: Frauen* begreifen ihre eigene Objektifizierung als Traumberuf.
Es lohnt sich dieses Phänomen, oft als Inbegriff des Anti-Feminismus kritisiert, künstlerisch genauer zu untersuchen. Betrachte ich, als Konsumentin der Show, die Sprache von GNTM genauer, fällt auf: Sie ist geprägt von Wiederholungen. Jedes Jahr sprechen andere Mädchen die gleichen Worte, ahmen andere Gesichter dieselben Ausdrücke nach, spricht der gleiche Diskurs durch neue Körper. Die Aufregung beim Casting. Die Identitätskrise beim Umstyling. Die Aneinanderreihung absurder Shoots, die wenig bis gar nichts mit einem tatsächlichen Model-Alltag zu tun haben. Wer hält durch? Wer heult? Wer versaut den Shoot?
Mein Verdacht ist, dass sich hier ein theatraler Chor versteckt hält. Ein Chor der Mädchen, durch den ein Diskurs spricht, der sich bemüht, ein Machtverhältnis aufrecht zu erhalten, das schon lange erodiert. Der Chor versteckt sich im Format der seriellen Abfolge der Körper, die jedes Jahr aufs Neue das gleiche Stück aufführen. Und ein Chor ist widerständig. Schon der Versuch, mehrere Körper in einen harmonischen Klangkörper zu verwandeln, ist durch den Kampf mit Widerständen geprägt. Es ist eine konkrete Widerständigkeit. Findet sich diese auch bei den Mädchen von GNTM?
In meiner Recherche mache ich mich auf die Suche nach diesem Chor. Dabei werde ich die inszenierte Version sezieren, die die Show für mich vorgesehen hat: Wovon spricht dieser Chor, wenn ich die Show auf ihre Wiederholungen reduziere, sie von ihren Behauptungen befreie? Außerdem begebe ich mich in den Austausch mit anderen Frauen*, die mit dieser Show sozialisiert wurden und für die Assessmentcenter-Weiblichkeit eine gewöhnliche Erfahrung ist. Wie viel von diesem Chor steckt in uns? Wogegen formiert sich Widerstand? Um dies auszuloten, werde ich zudem die Bewegung #notheidisgirls untersuchen. Als externer Input dienen zwei Texte, die aus sehr unterschiedlichen Perspektiven fragen, was Frauen* sind und was Feminismus ist: de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“, quer gelesen mit dem 2014 erschienenen Essayband „Bad Feminist“ von R. Gay. Auf diese Weise hoffe ich, ein Spektrum feministischen Denkens zu erforschen, in dem sich der Chor der Mädchen verorten und neu betrachten lässt.
Ermöglicht durch PACT Zollverein im Rahmen einer #TakeCareResidenz, gefördert durch das Bündnis internationaler Produktionshäuser e.V. im Rahmen des vom Fonds Darstellende Künste e.V. getragenen und durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Programms Neustart Kultur: #TakeThat.