Im Rahmen des flausen + young artists in residence Stipendiums hatten wir einen Monat, um an unserem Live Jump and Run Konzept zu forschen und es weiterzuentwickeln. Das Besondere am flausen+ Stipendienprogramm ist mitunter, dass am Ende kein fertiges Ergebnis stehen muss, sondern lediglich der Arbeitsstand in einem Making of präsentiert und diskutiert kann. Die Stipendiat*innen haben so den Freiraum, ohne Produktionsdruck an ihrer künstlerischen Idee zu arbeiten, auszuprobieren, immer wieder neu zu probieren, umzubauen, zu diskutieren und diskutieren, auszuprobieren, neu zu bauen… vier Wochen lang pures Anna Kpoken at it´s best also. Hierfür zogen wir den Mai über nach Köln und machten das Freie Werkstatt Theater Köln zu unserem ständigen Arbeitsort – an dieser Stelle nochmal ein großes Danke an das FWT Team für die Räumlichkeiten, Technik und Unterstützung!
Als Mentorin für unsere Forschung fanden wir Grit Schuster, Gamedesignerin an der Schnittstelle zur darstellenden Kunst. Grit arbeitet regelmäßig mit Rimini Protokoll zusammen, zuletzt entwarf sie z.B. das Interaction Design für „Mein Kampf Band 1 & 2“oder „Hausbesuch Europa“. Die Bedeutung von „Interaction Design“ im Theater, wie gute Computerspieldramaturgie funktioniert und noch einiges mehr, konnten wir von ihr lernen. Grit, ein riesiges Danke an dich!
Wir starteten in die Residenz und trotz ergebnisoffener Arbeitsstrukturen hatten wir uns mit unserer Forschungsfrage ein Ziel gesetzt: Wie ist non-lineares Erzählen in unserem Live Jump and Run möglich? Wir wollten eine Open World bauen. Weg vom 2D Sidescroller Jump and Run, in dem der Avatar nur nach vorne laufen kann und alles, was ihm in den Weg gelegt wird, überwinden muss. Hin zu einer offenen Spielwelt, in der es sogar mehrere Spiel-Enden gibt, je nachdem, welche Entscheidungen getroffen werden. Wie kann das funktionieren?
Wir haben während der Residenz ein Logbuch geführt, das auf dem flausenblog nachzulesen ist. Nachfolgend findet sich eine kurze Zusammenfassung.
Spielkonzept:
Fünf Spieler*innen (Zuschauer) steuern den Avatar (Performer*in) durch eine Spielwelt (Bühne). Spielverlauf und -ende bestimmt die Gruppe durch ihr Spielverhalten und ihre Entscheidungen.
Die Spieler*innen steuern den Avatar per Sprachbefehl, die Befehlspaare sind: START-STOPP, RECHTS-LINKS, SPRINGEN-DUCKEN, EINSAMMELN-BENUTZEN, ATTACKE-UNTERSUCHEN.
****
Woche 1 // 28.04. – 01.05.
#Ankommen. #Einrichten #Arbeitsplan #Arbeitsstrukturen
Was will dieser Apparat von uns? Und was wollen wir von ihm?
In der ersten Woche haben wir uns auf der Probebühne breit gemacht. Wir haben so etwas wie eine Spieldramaturgie, bzw. – zu dem Zeitpunkt wohl noch eher – Spielablaufmöglichkeiten entworfen. Aus Bänken und leeren Kisten haben wir die Spielwelt simuliert, Grit eingeladen und schon erste Tests durchgeführt.
Wir haben an der „backgroundstory“ gearbeitet; recherchiert, gelesen, uns inspieren lassen, wie etwa Stanislaw Lem: Memoiren gefunden in der Badewanne // Stanislaw Lem: Der Freund. // Dave Eggers: The Circle // Matrix // Star Trek // Odysee 2000 // The Cube // uvm.
Woche 2 // 04.05. – 11.05.
#PuzzleDependencyChart #Gameplay #Spielmechanik #Rätseldramaturgie
Wie wird die Narration in die Rätsel eingebunden? Wie wissen die Spieler*innen, was der Apparat von ihnen will?
Mithilfe von Grit entwickelten wir auf der Basis des Puzzle Dependency Charts – Tools eine Spieldramaturgie. In unserer Versuchsanordnung gab es einen Startpunkt, von dem alle Gruppen das Spiel beginnen und drei mögliche Enden, die gespielt werden können. Je nachdem ob sie sich für oder gegen eine Sache entscheiden, eine Information finden, oder nicht. Und wir entschieden uns für eine möglichst offene Initial-Spielaufgabe, die den Spieler*innen Anreiz gibt sich in der Spielwelt umzuschauen, herausfinden zu wollen, was passiert ist aber gleichzeitig nicht zu viel verrät: „Hilf dem Apparat – nein auf gar keinen Fall!“ Wir legten fest, dass der Apparat – also die Spielwelt – aus drei Räumen bestehen wird, die miteinander verbunden sind und immer wieder von der Spielergruppe durchlaufen werden müssen, um die Rätsel zu lösen. Während der Abwesenheit der Gruppe verändern sich die Räume und triggern wieder neue Aufgaben – der ganze Apparat, die Spielwelt durch die sich die Gruppe bewegt, soll lebendig wirken, auf die Spielergruppe ragieren und zur Interaktion aufrufen.
Woche 3 // 12.05. – 19.05
#Umzugskartons #Alufolie #Testpiele #Feedback
Wie funktioniert eine non-lineare Narration im Spiel? Wie viel Lenkung und Informationen braucht es, um das Spiel spielbar und die Hintergrundgeschichte interessant zu machen?
Wir kauften 200 Umzugskartons, 30 Rollen Alufolie, einen großen roten Buzzer und bauten einen Apparat. Nachdem wir eine nahezu lückenlose Story entwickelt hatten, die die Vergangenheit und die Arbeitsweise des Apparates – also des Wesens, bzw. des Dings in dem sich die Spieler*innen befinden – erklärt, ging es ans Bauen und Testen. Wir verschränkten die Story mit konkreten Aufgaben in der Spielwelt und verteilten die Rätsel so auf alle drei Räume, dass die Spieler*innen nach und nach immer mehr über herausfinden und sich so ihre eigene Story zusammenpuzzeln konnten. Wussten sie einmal ungefähr, woher der Apparat kommt, ahnten sie schon, was er vorhat. Dieses anwachsende Wissen befähigte sie immer bewusster zu entscheiden, wie sie das Spiel fortsetzen wollten.
Wir hatten also unseren Karton-Apparat und unsere Rätsel und luden dann die ersten Spieler*innen zum Testen ein. Nach jedem Testspiel baten wir die Testspieler*innen zum Gespräch, um uns ein ausführliches, ehrliches Feedback zu geben. So konnten wir einschätzen, was funktioniert, was nicht, woran wir noch arbeiten und welche darlings gekillt werden müssen. Danke nochmal an alle Testpieler*innen!
Woche 4 // 21.05. – 25.05.
# Testspiele #Making Of #lookwhatwevebuilt
Mit Anna Kpok im Apparat haben wir die Basis für ein Live Jump and Run erarbeitet, das dem Setting nach in einer Open World gespielt wird. Während der Residenz ist ein eigenes Handwerkszeug entstanden, das uns die Möglichkeit gibt, eine sich verzweigende Spieldramaturgie zu entwickeln. Die Spieler*innen können sich frei durch unsere Räume bewegen und müssen immer wieder Entscheidungen treffen, die sich auf den weiteren Spielverlauf auswirken. Sie erhalten nach und nach Informationen über die Spielwelt, die sie umgibt und mit der sie interagieren müssen. Die Informationen erhalten sie erst, nachdem sie ein Rätsel gelöst oder eine Aufgabe erfüllt haben.
Auf zum APPARAT!
Die flausen-Residenz 2016 am FWT wurde gefördert von der Kunststiftung NRW, vom Kulturamt der Stadt Köln und vom NRW Kultursekretariat Wuppertal.