Anna Kpok wird mit dem Petra Meurer Preis 2017 ausgezeichnet

 

Für unser Live Jump and Run wurden wir am 18.02.2017 bei den Petra Meurer Theatertagen ausgezeichnet. Unser Avatar ließ es sich nicht nehmen, den Preis persönlich bei der Preisverleihung im Theater im Depot Dortmund abzuholen und sich auf seine ganz persönliche Art zu bedanken.

Anna Kpok führt uns als Besucherinnen und Besucher ihrer Performances immer wieder an den Kern dessen zurück, was wir sind: Menschen, mit der Lust am Spiel, mit der Fähigkeit zur Manipulation und mit der Begabung zur Moral. (Michael Eickhoff in seiner Laudatio für Anna Kpok

 

Am Tag zuvor zeigten wir nach langer Zeit wieder Die Teeparty des Kalifen mit Anna-Lena Klapdor, Gabor Bodolay, Almut Pape und Manue Zauner.

 

Laudatio von Michael Eickhoff, Chefdramaturg am Schauspiel Dortmund

Das Performance-Kollektiv Anna Kpok ist ein äußerst produktiver Operateur am künstlerischen Herzen des Ruhrgebiets. Seit 2009 in verschiedenen Städten und Institutionen aktiv, produziert das Kollektiv Anna Kpok verschiedene Formate: da sind Stadt-Spaziergänge, künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum und Hörspiele, die sich auf diesen beziehen. Immer nehmen die ortsspezifischen Performances oder Installationen gegenwärtiges oder vergangenes Material der Orte auf, bearbeiten es und ergänzen das Vorgefundene. Für uns, die Zuschauerinnen und Zuschauer dieser ortsspezifischen Kunst werden, erscheint das Vertraute mitunter neu oder neu aufgeladen oder wird überhaupt erst sichtbar: So kann man bsw. in „Bochumer Versprechen“ die Erwartungen und Versprechungen von einst mit dem Heute abgleichen: An signifikanten Orten in Bochum ertönten, quasi qua Audio-Guide, die gehaltenen Reden zur Eröffnung der Jahrhunderthalle oder der Ruhr-Universität – sorgfältig recherchiert.

Eine gänzlich anderes Format – und damit zugleich ein Ausweis für die produktive Vielfältigkeit des Kollektivs – ist die Reihe „Der letzte Zombie“, ein Live-Jump’n’Run-Spiel in verschiedenen Levels. Es übersetzt die digitale Anordnung eines Computerspiels in eine analoge, partizipative und live zwischen Performer-Avatar und Spieler-Besuchern zu spielende Versuchsanordnung. Praktisch an jedem Ort spielbar gibt es für die Spieler verschiedene challenges: sie müssen ihren Performer-Avatar über Hindernisse, Stufen, Treppen u.a. navigieren, vor Gefahren beschützen, manchmal gilt es, Ballons o.ä. auf dem Weg durch unwirtliche Kellergewölbe aufzusammeln und zu zerplatzen. Man agiert als Gruppe, um den Avatar mit Befehlen wie „los“, „stopp“, „rechts“, „links“, „spring“ oder „aufnehmen“ zu steuern. Man entscheidet als Gruppe, wo es langgeht, sagt man nichts, passiert auch nichts. Das durch und durch analoge Live Jump’n’Run erwischt einen in einem ganz naiven, grundmenschlichen Spieltrieb. Und zugleich – das ist das Faszinierende, wenn man den Spieler beim Steuern zusieht – gibt es wie eine zweite Spielebene in der Anordnung: Der Avatar aus Fleisch und Blut ist meinen Befehlen als Spieler ausgeliefert. Die Erkenntnis, das da jemand im Spiel wohl alles tut, was ich befehle, hat etwas Faszinierendes – verblüfft nehme ich das und meine Macht zur Kenntnis. Das Lachen darüber bei den Spielern beweist es – da macht nicht nur ein Menschen-Avatar lustige Bewegungen, sondern ich könnte jetzt auch Befehle erteilen, die, wenn sie schon den menschlichen Performer-Avatar nicht aus einem Fenster springen lassen, so doch zumindest die Spieler in eine moralische Grauzone führen: „Spring!“, „spring!“, „Spring!“, „Spring!“ ertönt es beispielsweise sinnlos, als einmal der Menschen-Avatar neue Schuhe anzieht. Die neuen Schuhen führen zwar nicht zu höheren Sprüngen, aber sie kitzeln einen der Spieler-Besucher zum immer wieder gleichen sinnlosen Befehl. Aber – und da bringt Anna Kpok quasi eine zweite grundmenschliche Fähigkeit zum Leuchten – das spielende Kollektiv stellt den „Spring“-Instructor: „Nutz nicht Deine Macht aus!“ kommt der Kommentar prompt aus der Gruppe der übrigen Spieler.

Anna Kpok führt uns als Besucherinnen und Besucher ihrer Performances immer wieder an den Kern dessen zurück, was wir sind: Menschen, mit der Lust am Spiel, mit der Fähigkeit zur Manipulation und mit der Begabung zur Moral.

Herzlichen Glückwunsch!